Daniel Gray, ein Taxifahrer, war 41 Jahre alt. Er arbeitete in der kleinen Stadt Virtani im Norden, wo Taxianfragen selten und fast immer vertraut waren. Doch jeden Freitag um Punkt 6:45 Uhr erhielt er dieselbe Anfrage:
Adresse: Pine Street 3.
Name: Anna Karlovna Rutkovich, 78 Jahre alt.
Sie fuhr immer pünktlich los, in einem grauen Mantel, mit einem abgenutzten braunen Koffer und einer antiken Petroleumlampe – sogar im Sommer.
„Bis zur Abzweigung im Wald, wie immer“, sagte sie leise und kletterte auf den Rücksitz.
Die Strecke war einfach: 17 Kilometer entlang der Autobahn, dann eine schmale Straße tief in den Wald hinein, bis zu einem Wendekreis, wo der Weg begann. Dort bat die alte Frau um einen Halt, stieg aus … und wanderte allein in den Wald, ohne zu kommunizieren, ohne Eile. Drei oder vier Stunden später rief sie ein Auto zurück.
Daniel stellte keine Fragen. Aber irgendetwas an dieser Reise störte ihn. Vor allem die Tatsache, dass sie jede Woche zurückkehrte … und ihr Koffer immer leer war.
Eines Tages brach er eine Regel.
Am Freitag, dem 12. November, stieg die alte Frau wieder ins Auto. Der Wald war in Nebel gehüllt, die Straßen mit einer dünnen Eisschicht bedeckt.
„Anna Karlowna, frierst du da wenigstens?“, fragte er vorsichtig.
„Ich hätte schon längst dorthin fahren sollen, meine Liebe. Solange meine Beine mich tragen“, antwortete sie und lächelte so breit, dass Daniel ein kalter Schauer über den Rücken lief.
An der Abzweigung stieg sie aus, wie immer. Doch dieses Mal ging Daniel nicht zurück. Er schaltete die Scheinwerfer aus, parkte den Wagen und folgte ihr den Weg entlang.
Sie ging überraschend schnell für ihr Alter. Fünfzehn Minuten später sah er vor sich einen alten, verlassenen Kirchenzaun, der mit Schnee bedeckt war. Das schmiedeeiserne Tor hing schief, und dahinter lag ein alter Friedhof.
Anna Karlowna blieb am entferntesten Grab stehen, kniete nieder, öffnete ihren Koffer … und holte mehrere Pakete mit Lebensmitteln, Kerzen und ein Kinderspielzeug – einen Stoffhasen – heraus.
Sie legte alles neben dem namenlosen Kreuz aus und sagte leise:
„Ich bin gekommen. Ich habe es versprochen, ich erinnere mich …“
Daniel fühlte sich fremd. Er wollte gerade gehen, trat aber versehentlich auf einen trockenen Ast. Die alte Frau drehte sich abrupt um und sah ihn.
Sie schrie nicht. Sie flüsterte nur:
„Du hättest nicht … du hättest nicht hierherkommen sollen.“
Am nächsten Tag wurde er nicht gefunden.
Um 10 Uhr morgens wurden sein Telefon, seine Schlüssel und das noch funktionierende Taxameter in einem geparkten Auto in der Nähe des Waldes gefunden. Die Spuren führten in den Wald … und verschwanden auf demselben Friedhof. Keine Leiche, keine Anzeichen eines Kampfes.
Anna Karlowna verschwand danach. Sie war nicht zu Hause, alles war ordentlich aufgeräumt, die Tür von innen verschlossen.
Auf dem Tisch fand man eine Notiz:
„Er ist mir gefolgt. Jetzt weiß er Bescheid. Verzeihen Sie mir.“
Und dann begann das Seltsamste.
Eine Woche später ging eine Anfrage über das Telefon des Taxiunternehmens ein:
„Bestellen Sie ein Taxi. Abzweigung Lesnoi. Uhrzeit: Freitag, 6:45 Uhr. Name: A.K. Rutkowitsch.“
Und der Disponent bemerkte: Die Bestellung kam von Daniels Nummer.

