Der Bus Nr. 214 fuhr um 6:40 Uhr morgens aus der Stadt. Die Passagiere gähnten, hielten heiße Kaffeebecher in den Händen, einige hörten Musik, andere dösten oder blickten aus dem Fenster – ein ganz gewöhnlicher Morgen. Unter ihnen war auch eine schwangere Frau namens Lara (der Name kann geändert werden), im achten Monat. Sie hielt die Hand auf ihren Bauch und zählte gedanklich die Tage bis zur Geburt. Ihr einziger Wunsch: alles ruhig überstehen, die Untersuchungen rechtzeitig erledigen – und dann nach Hause.
Der Fahrer, ein etwa fünfzigjähriger Mann mit freundlichen Augen und einer Thermoskanne Tee auf dem Armaturenbrett, wünschte wie immer lächelnd allen „Guten Morgen“ und fuhr los.
Die ersten zwanzig Minuten verlief alles normal – dichter Verkehr, leichter Schneefall, grauer Nebel über der Straße. Doch dann, auf dem Landabschnitt der Autobahn, geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte.
Der Bus schwankte plötzlich leicht, als sei er auf Eis geraten. Dann noch stärker. Einige Passagiere hoben die Köpfe.
„Alles in Ordnung?“, fragte eine Frau aus der vorderen Reihe.
Keine Antwort. Der Fahrer saß wie versteinert, die Hände glitten vom Lenkrad, seine Augen waren offen, aber leer. Einen Moment später sackte sein Körper nach vorn.
„Er… er ist ohnmächtig!“, rief ein Mann.
Der Bus rollte über die vereiste Straße – vor ihm der Straßengraben und die Gegenfahrbahn. Menschen schrien, einige sprangen von ihren Sitzen auf.
Lara dachte nicht nach – sie handelte. Der Fahrersitz war gleich neben ihr, sie war die Nächste. Ihr schwerer Bauch zog nach unten, doch ihre Beine bewegten sich von selbst.
„Gehen Sie zur Seite!“, sagte sie mit fester Stimme.
Sie packte das kalte, schwere Lenkrad mit beiden Händen. Der Bus glitt bereits auf die Gegenfahrbahn zu, eine Lastwagenfront kam näher. Ihr Herz pochte bis in die Schläfen. Jemand weinte, jemand betete.
Lara riss das Lenkrad nach rechts. Der Bus schleuderte, die Hinterräder drifteten, die Menschen schrien – aber das Fahrzeug blieb auf der Straße. Sie trat auf die Bremse, doch das Pedal war hart.
„Drücken Sie die Warnblinkanlage!“, rief sie.
„Schon passiert!“, hörte sie eine Stimme.
Trotzdem rollte der Bus weiter. Vor ihnen – eine scharfe Kurve und eine Brücke über den Fluss. Wenn sie durchrutschten, wäre der Absturz unausweichlich.
Da erinnerte sich Lara, wie ihr Vater sie früher auf dem Hof das Fahren eines Lastwagens gelehrt hatte: „Wenn die Bremse versagt – bremse mit dem Motor.“
Sie griff nach dem Schalthebel, legte den niedrigeren Gang ein. Der Motor heulte auf, der Bus verlangsamte sich.
38 Menschen hielten den Atem an.
Der Bus kam nur wenige Meter vor der Brückenkante zum Stillstand.
Erst als Stille einkehrte, merkte Lara, wie ihre Hände zitterten. Sie ließ das Lenkrad los und atmete schwer.
Einige Passagiere eilten zum Fahrer – er war bewusstlos, aber atmete. Ein Mann aus den hinteren Reihen brachte den Erste-Hilfe-Koffer. Ein junges Mädchen legte ihre Jacke unter seinen Kopf und hielt seine Hand. Jemand rannte hinaus, um den Rettungsdienst zu rufen.
Lara saß immer noch auf dem Fahrersitz. Neben ihr stand ein Teenager und flüsterte:
„Sie haben uns gerettet.“
Erst da schloss sie kurz die Augen – und spürte einen stechenden Schmerz im Unterleib. Zuerst dachte sie, es sei nur der Schock. Doch der Schmerz wurde stärker.
Im Krankenwagen sagte der Arzt:
„Die Wehen haben begonnen. Der Stress hat sie wahrscheinlich ausgelöst.“
Sie erschrak. „Bitte nicht jetzt…“ Doch das Baby antwortete mit einem sanften, kräftigen Stoß unter ihrer Hand.
Der Fahrer wurde ins Krankenhaus gebracht – Herzinfarkt. Niemand im Bus wurde verletzt. Keine Knochenbrüche, keine blauen Flecken – nur Angst, Schock und gerettete Leben.
Am nächsten Tag kam der Fahrer wieder zu sich und fragte:
„Der Bus? Die Leute? Leben sie?“
„Alle“, sagte man ihm. „Dank der Frau, die das Steuer übernommen hat.“
Er schloss die Augen und flüsterte:
„Mein Gott… sie hat alle gerettet.“
Und Lara – brachte drei Tage später einen Sohn zur Welt.
Die Krankenschwester sagte:
„Er ist so ruhig… als wüsste er schon, warum er in diese Welt gekommen ist.“
Lara lächelte nur. Denn an jenem Tag, in diesem Bus, hatte auch sie verstanden – manchmal wählt ein Kind seine Eltern schon vorher. Und schenkt ihnen Kraft, wenn alle anderen sie verlieren.

