Der Fluss hatte alles mitgerissen. Doch im Morgengrauen trieb ein Boot auf dem Wasser… und darin – ein Säugling mit einem Zettel

Der Fluss war immer ruhig gewesen, glitzerte träge zwischen den Häusern. Kinder angelten am Ufer, alte Männer saßen mit Teetassen auf den Bänken. Niemand glaubte ernsthaft, dass er je gefährlich werden könnte. Bis zu jener Nacht.

Es regnete schon den dritten Tag in Folge. Am Abend stieg das Wasser bis zu den Stegen, dann bis in die Höfe, und um Mitternacht – bis zu den Erdgeschossen. Menschen rannten durch die Straßen, sammelten Kinder und Dokumente, halfen den Nachbarn. Manche schrien, manche beteten, manche standen einfach da, unfähig zu begreifen, dass ihr Dorf unter dem trüben, kalten Wasser verschwand.

Gegen ein Uhr nachts fiel der Strom aus. Nur Kerzen, Taschenlampen und vereinzelte Autoscheinwerfer leuchteten noch. Der Fluss brüllte. Das Wasser trug Bretter, Stühle, Spielzeug, Hühnerställe – sogar ein kleines Gewächshaus mit Tomaten. Die Rettungskräfte kamen nicht nach. Einige wurden noch mit Booten evakuiert, andere kletterten selbst auf die Dächer.

Und am Morgen – kam die Stille.

Der Nebel hing tief, grau-weiß wie Watte. Das Wasser bedeckte noch die halbe Siedlung, stieg aber nicht mehr. Die, die geblieben waren, standen schweigend da. Manche weinten. Andere blickten nur leer ins Nichts.

Da schrie eine Frau plötzlich:
— Schaut! Dort, auf dem Wasser!

Alle drehten sich um. Auf dem Fluss, zwischen überfluteten Zäunen und umgestürzten Bäumen, trieb langsam ein kleines Holzboot. Alt, wie ein Fischerboot. Niemand ruderte. Es trieb einfach mit der Strömung dahin.

Darin lag etwas, eingewickelt in eine Decke.

Ein Mann in Gummistiefeln watete ins Wasser und zog das Boot ans Ufer. Alle hielten den Atem an. Er schlug die Decke vorsichtig zurück – und sah ein Baby. Winzig, warm, mit geschlossenen Augen. Es atmete.

Daneben – ein Zettel. Durchnässt, doch die Worte waren noch lesbar:

„Rettet ihn. Alles andere spielt keine Rolle mehr.“

Niemand wusste, wem das Kind gehörte. Keine schwangere Frau war verschwunden, keine Familie hatte ein vermisstes Baby gemeldet. Sie wickelten den Jungen in trockene Tücher, trugen ihn in das einzige Haus, das noch halbwegs stand, und machten den Ofen an. Er weinte nicht. Er lag nur da – als würde er warten.

Die Dorfbewohner kümmerten sich abwechselnd um ihn. Einer brachte Babynahrung, ein anderer versuchte sich zu erinnern, wie man ein Neugeborenes hält. Menschen, die alles verloren hatten – Häuser, Papiere, Vergangenheit – vergaßen für einen Moment ihr eigenes Leid und schauten nur auf ihn. Ein alter Mann sagte leise:
— Dieses Kind ist wie ein Zeichen. Als hätte der Fluss uns selbst die Hoffnung zurückgegeben.

Doch die Frage blieb: Wer hatte ihn in das Boot gelegt? Und wo war dieser Mensch jetzt?

Als das Wasser schließlich zurückging, begannen die Dorfbewohner, die zerstörten Häuser abzugehen. Am Ende des Dorfes, nahe dem Wald, stand ein halb eingestürztes Holzhaus. Das Dach war weggerissen, die Wände zur Hälfte vom Wasser verschluckt. Und dort, im früheren Kinderzimmer, fanden sie an der Wand eine Bleistiftskizze – grob, aber erkennbar: die Silhouette einer Frau, ein Boot… und daneben – eine Wiege.

Unter der Zeichnung stand nur ein Wort: „Vergib.“

Seitdem erzählen die Menschen die Geschichte unterschiedlich. Manche sagen, die Mutter sei ertrunken, als sie ihr Kind retten wollte. Andere glauben, sie lebe noch, habe aber geglaubt, dass es so besser sei. Und wieder andere meinen, das Kind sei gar nicht ihr eigenes gewesen – dass sie nur diejenige war, die den Mut hatte, das Unmögliche zu tun.

Der Junge wuchs in diesem Dorf auf. Man gab ihn nicht ins Waisenhaus. Alle zusammen zogen ihn groß – sie fütterten ihn, brachten ihm das Laufen und Sprechen bei. Er wusste nie, wer seine Mutter war… bis er eines Tages, viele Jahre später, in einem alten Schrank diesen Zettel fand.

Da fragte er:
— Wer hat mich in das Boot gelegt? Und warum stand dort, dass alles andere nicht mehr wichtig ist?

Die Antwort, die er darauf erhielt, war so, dass im Dorf lange Zeit die Glocken schwiegen – und die Kinder aufhörten zu lachen.

Aber das – ist schon eine andere Geschichte.

justsmile.fun