Im kleinen Dorf Greenwood war das Leben ruhig und überschaubar: morgens Kühe auf die Weide, mittags Arbeit im Gemüsegarten, abends Tee, Gespräche und der Duft von frischem Brot. Jeder wusste, wer wie alt ist, wie viele Hühner jemand hat – und wer heimlich auf wen schaut.
Und alle hatten längst bemerkt eines: Lukas Meyer blickte Anna Baumann an, als wäre sie der erste Sonnenaufgang nach einem langen Winter.
Lukas lebte mit seiner Mutter und ihrer Kuh namens Bella. Er arbeitete als Traktorfahrer, war fleißig, ruhig – und schrecklich schüchtern. Jedes Mal, wenn Anna vorbeiging, drehte er sich weg und tat so, als würde er am Traktor herumschrauben.
Anna war eine junge Lehrerin aus der Stadt. Freundlich, klug, mit einem sanften Lächeln und blonden, zu einem Zopf geflochtenen Haaren. Sie liebte Kinder – und sie liebten sie zurück.
Der Anfang der Geschichte
Eines Abends saß Lukas im Stall und sprach mit Kuh Bella, als wäre sie seine beste Freundin:
— „Wie soll ich es ihr sagen? Na komm, Bella, sag doch etwas…“
Bella kaute schweigend ihr Heu, doch Lukas beschloss: Es ist Zeit.
Die Idee, die alle sprachlos machte
Am nächsten Morgen wusch er Bella, striegelte ihr Fell, schmückte ihren Schwanz mit Bändern und hing ihr ein Holzschild um den Hals:
„Anna, willst du mich heiraten? – Lukas“
Bella trottete gelassen die Straße entlang, stolz, als wüsste sie: Heute spielt sie die Hauptrolle.
Die Nachbarn standen an den Gartenzäunen, lachten, filmten mit ihren Handys:
— „Ist das eine Hochzeitsprozession oder eine Kuhparade?“
— „Nein – ein Heiratsantrag… per Kuh!“
Der Moment der Wahrheit
Anna goss gerade die Blumen vor dem Haus, als sie ihren Namen hörte. Sie drehte sich um – und sah Bella, geschmückt mit Blumen und bunten Bändern. Daneben stand Lukas, verlegen, im frisch gebügelten weißen Hemd, mit der Mütze in der Hand.
— „Ich… kann es nicht anders. Aber ich liebe dich, Anna. Willst du meine Frau werden?“ flüsterte er.
Anna lachte zuerst – leise, ehrlich. Dann ging sie auf ihn zu, berührte das Schild, sah ihm in die Augen und sagte:
— „Ja. Natürlich ja.“
Wie es weiterging
Einen Monat später feierte ganz Greenwood Hochzeit. Ohne Limousinen, ohne Restaurant – im Hof, mit Holztischen, Girlanden und selbstgebackenen Kuchen.
Bella stand daneben, geschmückt mit frischen Wiesenblumen. Die Gäste witzelten:
— „Diese Kuh ist die Trauzeugin Nummer eins!“
— „Ohne sie gäbe es keine Hochzeit!“
Heute – eine Dorflegende
Noch heute erzählt man die Geschichte:
— „In Greenwood – wenn ein Mann wirklich liebt, schreibt er keinen Brief. Er bringt eine Kuh!“
Lukas und Anna leben jetzt in einem kleinen Haus am Waldrand, mit einem Sohn und einer Tochter. Bella lebt noch immer bei ihnen – alt, ruhig, aber geliebt wie früher.

