Sie beschloss, das Fenster zu putzen – und sah im Spiegelbild eine Frau hinter sich stehen

Sie schaltete Musik ein, füllte einen Eimer mit warmem Wasser und Zitronenreiniger und begann mit dem Putzen. Das Haus, in dem sie lebte, war alt, aber gemütlich – sie hatte es von ihrer Großmutter geerbt. Die Dielen knarrten, die Tapeten lösten sich stellenweise, aber das hatte etwas Vertrautes, Beruhigendes.

Als Margarita das große Wohnzimmer erreichte, schien die Sonne bereits durch die Fenster. Der Staub tanzte in den Strahlen wie goldene Funken, und plötzlich wollte sie alles perfekt machen. Sie holte einen Lappen, stieg auf einen Hocker und begann, die Scheiben zu putzen.

Die Musik spielte, ihre Gedanken schweiften umher – und plötzlich … blitzte etwas im Spiegelbild auf.

Sie sah eine Frau. Sie stand direkt hinter ihr.

Margarita drehte sich ruckartig um – niemand war da. Ein leerer Raum, ein Sessel an der Wand, ein Blumenstrauß. Alles wie immer. Nur ihr Herz schlug so laut, dass es in ihren Ohren dröhnte.

„Das hat sich nur so angefühlt…“, flüsterte sie und versuchte zu lachen.

Aber als sie sich wieder zum Fenster umdrehte, lief ihr ein Schauer über den Rücken.
Die Frau stand wieder da. Blasses Gesicht, zu einem Knoten zusammengebundene Haare, altmodisches Kleid und ein direkter, schwerer, fast trauriger Blick.

Margarita erstarrte. Im Spiegelbild stand die Frau näher als noch vor einer Sekunde. Sie konnte nicht atmen. Sie konnte sich nicht bewegen.

Der Raum blieb still, nur hinter der Wand tickte die Uhr. Und plötzlich bewegte sich das Spiegelbild – unabhängig von ihr.

Die Frau im Glas hob die Hand … und schrieb mit dem Finger etwas auf die Innenseite des Glases.

Für Margarita war es ein ganz normaler Morgen.

„Hilf ihr.“

Sie fiel vom Stuhl und zerbrach den Eimer. Das Wasser lief über den Boden, die Musik verstummte. Als sie aufstand, war das Fenster wieder sauber. Keine Buchstaben, keine Spiegelungen. Nur ihr eigenes verängstigtes Gesicht.

An diesem Abend saß Margarita lange in der Küche und erinnerte sich: Ihre Großmutter hatte oft gesagt, dass „ein Haus nicht nur Wände, sondern auch Erinnerungen bewahrt“. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass das Spiegelbild zu lebendig war, um nur eine Fantasie zu sein.

Am nächsten Tag beschloss sie, auf den Dachboden zu gehen, wo die alten Sachen ihrer Großmutter standen.  Staub, Spinnweben, der Geruch von Altertum – alles wie in ihrer Kindheit. Zwischen Truhen und Kisten fand sie einen kleinen ovalen Spiegel mit einem Riss. Und auf seinem Rahmen standen dieselben Buchstaben, die vor langer Zeit eingeritzt worden waren:
„Hilf ihr.“

Margarita fuhr mit dem Finger darüber, und in diesem Moment schlug irgendwo unten eine Tür zu …
Als ob jemand das Haus betreten hätte.

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