Er hörte ein schwaches Heulen vom zugefrorenen See – und sah einen verletzten Wolf, der ins Eis eingebrochen war

Die Sonne sank hinter die dunkle Linie der Fichten, als Michail, ein Förster mit dreißig Jahren Erfahrung, ein schwaches, fast klagendes Heulen hörte. Er blieb stehen und lauschte. Das Heulen kam vom zugefrorenen See – und klang, als käme es nicht von einem Rudel, sondern von einem einzelnen, verzweifelten Wesen.

Michail folgte dem Laut. Der Schnee knirschte, sein Atem brannte in der Kälte. Als die Bäume sich lichteten, sah er den See – und etwas, das ihm das Herz zusammenschnürte.

Nahe der Mitte des Eises: ein Loch, der umliegende Schnee von Rissen durchzogen. Daneben, halb im Wasser, lag ein Wolf. Seine Vorderpfoten zitterten, während er versuchte, sich auf dem Eis zu halten. Das Wasser um ihn herum war dunkel von Blut. Eine Pfote steckte in einer rostigen Falle.

Der Wolf heulte nicht mehr. Er atmete nur leise – und sah den Mann an.

„Na, Bruder…“, sagte Michail ruhig. „Willst du leben? Dann mach keine Dummheiten.“

Er band ein Seil um seine Taille, das andere Ende an eine Kiefer. Das Eis knackte bei jedem Schritt. Der Wolf hob den Kopf, versuchte aber nicht zu knurren – er hatte keine Kraft mehr. Michail legte sich auf den Bauch, kroch näher, legte die Schlinge um die Pfoten des Wolfes – und zog vorsichtig.

Einen Moment lang hörte er ein dünnes Knacken unter sich. Er erstarrte. Dann noch ein Zug – und das Tier lag auf festem Eis.

Gemeinsam schafften sie es ans Ufer. Der Wolf atmete schwer, die Augen geschlossen. Michail sah, wie das Blut den Schnee rot färbte.

„Schon gut… jetzt kümmere ich mich um dich.“

Er trug das Tier auf einer alten Decke ins Haus, wie einen verletzten Hund. Der Ofen brannte, Harzduft erfüllte den Raum. Vorsichtig öffnete Michail die Falle, wusch die Wunde aus und verband sie. Der Wolf wimmerte, aber wehrte sich nicht.

„Halte durch. Wenn du hier stirbst – dann wenigstens nicht im Schnee“, murmelte er, während seine Hände sanft arbeiteten.

Die Nacht war lang. Der Wolf atmete schwer, heulte im Schlaf leise. Michail saß am Ofen, trank Kräutertee und dachte: „Was mache ich da? Einen Wolf nach Hause gebracht… alter Narr.“

Doch am Morgen öffnete der Wolf die Augen.

Er knurrte nicht. Er sah ihn nur an – lange. Dann, langsam und mühsam, berührte er Michails Hand mit der Nase. Fast unmerklich.

Tage vergingen. Der Wolf fraß wenig, trank Wasser, lag am Ofen. Manchmal, wenn Michail sein Gewehr reinigte oder Holz schnitzte, beobachtete ihn das Tier still. In seinen Augen war keine Wildheit mehr – nur Müdigkeit und… etwas wie Dankbarkeit.

Am siebten Tag stand der Wolf auf. Er ging zur Tür. Michail öffnete sie.

Draußen lag frischer Schnee. Der Wolf machte einen Schritt hinaus. Drehte sich um.

Michail nickte.
„Geh. Die Taiga wartet. Ich halte dich nicht auf.“

Der Wolf zögerte einen Augenblick… und verschwand im Wald.

Eine Woche später, als Michail morgens Holz spaltete, hörte er den vertrauten Klang. Nicht einen – mehrere Stimmen. Ein Heulen, tief und weit. Er trat an den Waldrand.

Zwischen den Fichten stand ein Rudel. Der Anführer – ein grauer Wolf mit bandagierter Pfote – sah ihn direkt an. Es war er.

Das Rudel stand ruhig – ohne Aggression.

Der Anführer trat näher, bis an den Rand des Schnees beim Haus. Senkte den Kopf – kaum merklich.

Dann wandte er sich um. Und das Rudel verschwand lautlos im Winterwald.

Michail blieb lange reglos stehen. Schließlich sagte er leise:

„Danke auch dir.“

Seit jenem Winter sah niemand mehr Wölfe in der Nähe des Dorfes. Kein nächtliches Heulen mehr unter den Fenstern. Die Jäger sagten, das Rudel sei weit nach Norden gezogen.

Doch jedes Jahr, wenn der erste Schnee fiel, ging Michail zum See, wo einst das Eis gebrochen war, und blickte in den Wald.

Denn irgendwo dort, zwischen Fichten und Schnee, lebte ein Wolf, der einst keine Hand gebissen – sondern sich an ihre Wärme erinnert hatte.

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