Der Sommer war heiß, das Meer ruhig wie schlafend. Am Strand dösten die Menschen in der Sonne, Kinder rannten mit Schwimmreifen durchs flache Wasser. Der Jugendliche Luca (der Name kann weggelassen werden) schwamm ein Stück weiter hinaus – dorthin, wo die Bucht begann. Er kam oft allein hierher, um mit der Tauchmaske Fische zu beobachten.
An diesem Tag schien alles ganz normal: Sonne, salziger Wind, glitzernde Wellen. Luca war etwa hundert Meter vom Ufer entfernt, lag auf dem Rücken und ließ sich treiben. Da spürte er plötzlich etwas – einen Schlag gegen sein Bein.
Erschrocken drehte er sich um – und sah eine Finne. Sein Herz rutschte ihm in die Hose. Ein Hai! war sein erster Gedanke. Doch dann erkannte er – es war ein Delfin. Groß, grau, mit klugen, wachen Augen. Luca atmete auf, sogar ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Na, hallo, schöner Kerl…“, flüsterte er leise.
Der Delfin schwamm näher, drehte eine Runde um ihn und stupste ihn mit der Schnauze an. Luca dachte, das Tier spiele nur. Doch plötzlich wurde es merkwürdig – der Delfin begann, ihn wegzuschieben, nicht zum Ufer, sondern hinaus aufs offene Meer.
„Hey! Was machst du?!“ rief Luca, versuchte umzudrehen.
Doch der Delfin stellte sich ihm in den Weg, schlug mit der Flosse, spritzte Wasser ins Gesicht. Er blockierte ihn immer wieder, ließ ihn nicht zurück. Panik kroch in Luca hoch. Er blieb schließlich stehen, keuchend, und sah das Tier an. Es kreiste, gab kurze, klickende Laute von sich – fast wie eine Warnung.
Und dann hörte er es. Einen Schrei.
Leise, aber deutlich – menschlich.
Ein Kinderstimme.
Er drehte sich um und sah am anderen Ende der Bucht etwas Rotes auf den Wellen treiben – einen aufblasbaren Schwimmring. Und daneben zwei kleine Hände, die verzweifelt aus dem Wasser schlugen.
„Mein Gott… da ist ein Kind!“
Der Delfin schien ihn zu verstehen – er stieß einen lauten Laut aus und schoss davon. Luca hinterher. Er schwamm so schnell er konnte, das Wasser fühlte sich schwer an, die Muskeln brannten.
Als er näher kam, sah er das Mädchen – vielleicht fünf Jahre alt. Der Ring war umgekippt, sie tauchte gerade unter. Luca griff nach ihrer Hand, zog sie nach oben. Ihr Gesicht war bleich, die Lippen blau. In diesem Moment spürte er etwas von unten – einen sanften Stoß.
Der Delfin.
Er schob sie beide an, half, sie über Wasser zu halten. Luca paddelte mit einer Hand, hielt das Mädchen fest an sich gedrückt. Wellen schlugen über sie hinweg, Salz brannte in den Augen, doch der Delfin blieb neben ihnen – wie ein Schutzengel.
Endlich erreichten sie das flache Wasser. Männer vom Strand rannten ihnen entgegen, zogen sie an Land. Das Mädchen hustete, spuckte Wasser, fing an zu weinen. Ihre Mutter fiel auf die Knie, weinend vor Erleichterung.
Und der Delfin?
Er blieb stehen – direkt an der Uferlinie. Schaute zu ihnen hinüber. Ein paar Sekunden lang.
Luca stand auf, ging ein paar Schritte näher. Das Tier schlug leise mit der Flosse – als wollte es sich verabschieden – und tauchte dann ab in die Tiefe.
„Er hat dich zu ihr geführt,“ sagte eine Frau am Strand. „Er hat’s gewusst.“
Später erklärten die Rettungskräfte: An diesem Tag hatte sich in der Bucht ein gefährlicher Sog gebildet – eine unsichtbare Strömung, die direkt hinauszog. Das Mädchen war in wenigen Minuten abgetrieben worden. Niemand hatte es bemerkt. Niemand – außer dem Delfin.
Seitdem kam Luca jeden Tag an denselben Ort zurück. Manchmal tauchte er hinunter, und aus der Tiefe hörte er leises Klicken – wie ein Gespräch.
Und jedes Mal, wenn er aus dem Wasser kam, drehte er sich noch einmal um.
Denn eines Morgens, ganz früh, als der Strand noch schlief, sah er wieder eine Finne.
Diesmal war sie nicht allein.
Daneben schwamm – ein kleiner Delfin.

