Sofia ging wie immer nach der Schule den schmalen Weg entlang der kleinen Privathäuser. Kopfhörer in den Ohren, Rucksack auf dem Rücken, Gedanken bei der Klassenarbeit, beim Abendessen ihrer Mutter – bei allem, nur nicht bei dem, was um sie herum geschah. Es war ein warmer Frühlingstag, die Luft roch nach Flieder. Alles wirkte friedlich.
Am Tor eines Nachbarhauses bemerkte sie einen Hund. Schmutzig, mit einem zerrissenen Halsband – offensichtlich ein Streuner. Das Tier sah sie aufmerksam an, aber knurrte nicht. Das Mädchen ging weiter, doch der Hund stand plötzlich auf und folgte ihr. Erst langsam, dann schneller. Sofia erschrak, beschleunigte ihren Schritt – und der Hund begann zu laufen, sprang leichtfüßig neben ihr her und bellte.
Sie drehte sich um und rief:
— Hau ab! — doch er wich nicht zurück.
Der Hund sprang näher, packte den Saum ihrer Jacke mit den Zähnen und zog sie zur Seite – auf die andere Straßenseite.
Sofia verstand nicht, was geschah. Im selben Moment raste hinter ihr mit lautem Getöse ein Auto vorbei, das auf den Gehweg geraten war. Der Fahrer hatte die Kontrolle verloren – die Reifen rutschten genau über die Stelle, an der das Mädchen noch vor einer Sekunde gegangen war.
Der Hund ließ die Jacke los und knurrte leise, als wollte er prüfen, ob noch Gefahr drohte. Sofia stand da, mit Tränen in den Augen, unfähig, ein Wort zu sagen. Als ihre Mutter angerannt kam, saß der Hund bereits neben ihr, aufmerksam auf die Straße blickend.
Später fanden die Polizisten an dem Auto eine Delle – genau auf der Höhe, wo das Mädchen gestanden hätte.
Der Hund bekam einen Namen: Lucky.
Sie nahmen ihn bei sich auf, wuschen ihn, gaben ihm ein neues Halsband. Und von da an wartete Lucky jeden Morgen am Gartentor auf Sofia – als wüsste er, dass er sie einmal schon gerettet hatte, und dass es nun seine Aufgabe war, immer bei ihr zu bleiben.

