Die ganze Nacht tobte ein Sturm über den Hügeln. Der Wind heulte, als wolle er die Dächer abreißen, Regen trommelte gegen die Fenster, und Blitze erhellten den Himmel so hell, dass das alte Bauernhaus bei jedem Donnerschlag erzitterte.
Lukas Schneider, ein Bauer mit zwanzig Jahren Erfahrung, war wach – der Sturm war zu stark für erholsamen Schlaf. Doch als ein langes, schmerzhaftes Brüllen aus der Scheune drang, schnappte sich Lukas eine Petroleumlampe und rannte in den Hof.
Schlamm klatschte unter seinen Stiefeln, der Wind versuchte ihn umzuwerfen. Er riss das schwere Scheunentor auf. Drinnen, auf dem Stroh, lag seine beste Kuh, Bella. Sie atmete schwer, ihre Augen glänzten vor Schmerz und Angst – sie stand kurz vor der Geburt.
„Warte, Mädchen … ich bin bei dir“, flüsterte Lucas und krempelte die Ärmel hoch, genau wie sein Vater es einst getan hatte.
Er arbeitete selbstbewusst und mit geübten Bewegungen. Doch je weiter er ging, desto kälter wurde die Luft. Die Lampe flackerte. Ein Luftzug pfiff, als würde sich jemand Unsichtbares zwischen den Ställen bewegen.
Und dann … der Moment.
Lucas zupfte sanft an den Vorderbeinen, doch als das neugeborene Wesen herauskam, erstarrte er.
Es war kein Kalb.
Der Körper – schleimig, zitternd, warm … aber …
Die Beine – zu lang und dünn.
Es gab kein Fell – die Haut war fast durchsichtig.
Die Ohren – spitz, wie die eines Luchses.
Die Augen – geschlossen, aber etwas bewegte sich unter den Lidern, als ob es bereits … sähe.
„Oh, allmächtiger Gott …“, flüsterte Lucas und trat zurück.
Bella stöhnte plötzlich leise auf – nicht aus Angst. Sondern als würde sie betteln: Geh nicht!
Das Wesen sprach. Es war kein Brüllen oder Schreien – ein Geräusch, das Lucas noch nie zuvor gehört hatte.
In diesem Moment donnerte es so laut, dass die Scheune erzitterte. Der Wind riss die Türen weit auf.
Und das Wesen öffnete die Augen.
Bernsteinfarben. Dunkel. Nicht ganz menschlich … aber auch nicht tierisch.
Lucas erstarrte. Die Lampe zitterte in seinen Händen.
Und auf dem Stroh hob ein winziges Wesen kaum merklich den Kopf … und streckte eine kleine, fast menschliche Hand nach ihm aus.
Er stand zwischen Angst und Pflicht.
Vor ihm stand etwas Fremdes … aber Lebendiges.
Und er traf eine Entscheidung.

