Als das alte Haus von Emily und Mark während eines heftigen Sturms überflutet wurde, dachten sie, es sei nur ein weiteres alltägliches Problem. In der Küche war ein Rohr geplatzt, Wasser strömte in die Zimmer, und bis zum Morgen waren die Holzböden aufgequollen, verzogen und der ganze Raum roch nach Feuchtigkeit und altem Holz.
Emily saß am Fenster und hielt eine Tasse kalten Kaffee in der Hand.
— „Wir müssen alles austauschen,“ seufzte sie.
Mark, der mit einem Brecheisen kniend auf dem Boden arbeitete, war nicht begeistert.
— „Ja, die Dielen lassen sich nicht mehr trocknen. Alles muss raus,“ murmelte er.
Das Haus hatte Mark von seinem Großvater geerbt – ein altes, vorkriegszeitliches Gebäude, mit dicken Wänden und schweren Balken. Einen Keller hatte es angeblich nie gegeben – zumindest hatte seine Mutter das immer gesagt. Sie lebten erst seit einem Jahr hier, genossen Ruhe und Gemütlichkeit und hätten niemals gedacht, dass sich unter ihrem Boden etwas verbergen könnte.
Als Mark die erste Diele anhob, stieg kalte, modrige Luft hervor.
— „Spürst du das?“ fragte er stirnrunzelnd.
Emily trat näher heran. — „Wie ein Luftzug… aber woher?“
Er hebelte weitere Bretter hoch – und plötzlich stieß das Brecheisen mit dumpfem Klang auf Metall.
Eine Minute später standen beide sprachlos da: Unter den Dielen befand sich eine rostige Metallluke mit einem runden Griff in der Mitte.
— „Das kann nicht sein…“ flüsterte Emily. — „Dieses Haus hat keinen Keller.“
— „Dann lagen alle falsch,“ antwortete Mark, doch seine Stimme bebte leicht.
Er packte den Ring und zog. Die Luke gab quietschend nach. Kalte, feuchte Luft drang ihnen entgegen. Steinstufen führten hinab in die Dunkelheit.
— „Mark… vielleicht sollten wir da nicht runtergehen?“ sagte Emily zögerlich.
Er lächelte schwach. — „Willst du das einfach so lassen?“
Die Taschenlampe zitterte in seiner Hand, als sie hinabstiegen. Die Stufen waren feucht, die Wände aus Ziegeln, an manchen Stellen bröckelnd. Am Ende der Treppe wartete ein kleiner Raum. Niedrige Decke, schwere Luft. An den Wänden Rußspuren, als hätten hier einst Kerzen gebrannt. In der Ecke stand ein alter Tisch, bedeckt mit Staub. Darauf: verrostete Werkzeuge, Glasbehälter und eine verschlossene Metallkiste.
Mark stellte die Lampe auf den Boden und hebelte den Deckel auf. Das Schloss krachte, und der Deckel fiel zur Seite.
Drinnen lagen vergilbte Papiere, einige Fotografien und ein kleines Holzkreuz.
Emily nahm mit zitternden Händen einen Umschlag heraus. Auf der Vorderseite, in verblasster Tinte, stand:
„Für den, der es findet.“
Sie öffnete den Brief. Die Schrift war zittrig, unruhig:
„Wenn Sie das lesen, wurde das Versteck gefunden.
Dieses Haus bewahrt, was nie gefunden werden sollte.
Hier stehen die Namen derer, die verschwunden sind – und derer, die sie geholt haben.
Wenn Ihnen Ihr Frieden lieb ist – schließen Sie die Luke und vergessen Sie, was Sie gesehen haben.“
— „Was ist das für ein Unsinn?“ flüsterte Emily.
Mark blätterte durch die Papiere: Namen, Daten, kurze Notizen —
„ging in der Nacht fort“, „Schritte gehört“, „am Fluss gefunden“.
— „Sieht aus wie ein Tagebuch… oder ein Bericht,“ murmelte er.
Plötzlich knallte oben eine Tür zu. Stille. Die Taschenlampe flackerte.
— „Nur der Wind,“ sagte Mark schnell.
Aber als sie wieder nach oben kamen, war die Tür zum Wohnzimmer geschlossen.
Obwohl sie sie offen gelassen hatten.
Und an der Schwelle — frische Spuren nasser Stiefel.
Emily sah Mark an.
— „Du hast doch die Schuhe ausgezogen, oder?“
— „Natürlich,“ antwortete er heiser.
In diesem Moment ertönte unter dem Boden ein leises Geräusch.
Als ob jemand dreimal klopfte.
Tock… tock… tock…
Mark drehte sich abrupt zur Luke um.
Der Deckel senkte sich langsam von selbst, quietschend über das Metall.
Emily keuchte und wich zurück, den Brief fest an ihre Brust gedrückt.
Die Luke schloss sich. Stille legte sich erneut über das Haus.
Sie blickte auf das Papier — und erbleichte.
Unter der alten Schrift war plötzlich, in frischer dunkler Tinte, ein neuer Satz zu lesen:
„Willkommen zu Hause.“
Seitdem leben Emily und Mark weiter in diesem Haus…
Aber jede Nacht hört man unter dem Boden leise Schritte.
Als würde dort unten jemand warten — bis sich die Luke wieder öffnet.

