Es war ein ganz gewöhnlicher sonniger Tag, an dem es schien, als könne nichts Schlimmes auf der Welt passieren.
Alexej war auf dem Heimweg von der Arbeit. Sein Weg führte immer an einem stillen, halb verlassenen Bahnübergang vorbei, wo Züge nur selten fuhren. Er ging, hörte Musik und dachte an das kommende Wochenende, als er plötzlich eine Bewegung zwischen den Schienen bemerkte.
Er blieb stehen.
Auf den Schwellen, direkt im Gleisbett, bewegte sich etwas.
Zuerst dachte er – Müll, ein Stück Stoff, der Wind. Doch als er genauer hinsah, erkannte er: ein kleiner Fuchswelpe. Ein roter, zitternder Klumpen Leben – eingeklemmt, die Pfote zwischen Schiene und Schwelle feststeckend. Er zappelte, fiepte – und bei diesem Laut zog sich in Alexej alles zusammen.
Er sah sich um – niemand. Kein Mensch, kein Geräusch. Nur Wind und das ferne Echo eines Horns.
„Halt durch, Kleiner“, murmelte Alexej und trat auf die Gleise.
Er kniete sich hin, streckte vorsichtig die Hand aus. Der Welpe versuchte wegzurutschen, aber die Pfote saß fest. Alexej versuchte, die Schiene leicht anzuheben, aber sie bewegte sich nicht. Er zog stärker – vergeblich.
Und dann – hörte er es.
Ein tiefes, fernes Grollen.
Er erstarrte. Hob den Kopf. In der Ferne, hinter der Kurve – ein Lichtblitz.
Ein Zug.
Der Klang wurde lauter. Der Boden vibrierte. In Sekundenschnelle begriff er:
Wenn er jetzt geht – stirbt der Fuchs.
Wenn er bleibt – stirbt er selbst.
Die Zeit blieb stehen.
Er beugte sich wieder hinunter.
„Komm schon… bitte…“
Der Kleine fiepte, der Körper bebte. Alexej stemmte die Hand unter die Schwelle – spürte, wie sich das Metall einen Millimeter hob.
Er riss stärker, die Haut platzte an seinen Händen auf.
Der Zug war jetzt ein donnernder Sturm. Die Luft vibrierte.
Und plötzlich – knack!
Die Pfote war frei.
Der Fuchs sprang – direkt in seine Arme. Alexej sprang hoch, rannte zur Böschung.
In derselben Sekunde raste der Zug vorbei – mit einem Heulen, einem Sturm aus Wind und Metall. Alexej stürzte ins Gras, den Fuchs an sich gedrückt.
Der Lärm verklang.
Er lag da, keuchend. Das kleine Wesen zitterte, aber lebte.
„Alles gut… du bist gerettet“, flüsterte er.
Der Fuchs sah ihn mit bernsteinfarbenen Augen an – voller Angst, aber voller Leben. Vorsichtig ließ Alexej ihn los. Er humpelte Richtung Wald, drehte sich einmal um – als wollte er sich verabschieden.
Alexej blieb sitzen. Die Hände voller Blut, das Herz raste.
Er sah dem Zug nach – und erst da verstand er, wie knapp alles gewesen war.
Neben sich sah er später einen Tropfen Blut, einen Fetzen Fell.
Und auf der Schiene – eine Kratzspur.
Drei schiefe Buchstaben, als wären sie mit einer Kralle dort eingeritzt:
„LEBE.“

