Für James Harper, 56 Jahre alt und Postbote, war diese Route alltäglich. Seit fast zwanzig Jahren brachte er die Post in dasselbe Viertel – er wusste, wer wann zu Hause war, wer auf Pakete wartete und wer sich ständig über das Wetter beschwerte.
Doch an einem Frühlingsmorgen änderte sich alles.
Haus Nummer 47 an der Ecke der Maple Road wirkte immer still. Das alte Ehepaar – Margaret und Tom Brown – lebte zurückgezogen, verließ selten das Haus. James wusste, dass sie nur Papierbriefe mochten, ohne Internet oder moderne Geräte.
Doch in letzter Zeit war der Briefkasten überfüllt. Zeitungen lagen ungeöffnet da, Umschläge waren verstaubt. Und an diesem Tag fiel James ein Geruch auf.
Er war kaum wahrnehmbar – eine Mischung aus Feuchtigkeit, Papier und etwas… Unnatürlichem. Der Postbote klopfte an die Tür, rief – keine Antwort. Also beschloss er, durch das Fenster zu schauen.
Die Vorhänge waren zugezogen, aber auf der Fensterbank stand eine Tasse mit eingetrocknetem Tee. James’ Herz zog sich zusammen. Er rief die Polizei.
Als die Tür geöffnet wurde, herrschte drinnen eine unheimliche Stille. Das Haus war perfekt aufgeräumt, als wäre die Zeit stehen geblieben. Doch auf dem Tisch lagen Briefe, die nie verschickt worden waren.
Darin schrieb Margaret an jemanden – an ihren Sohn, von dem man glaubte, er sei vor zwanzig Jahren bei einem Unfall gestorben. „Ich warte immer noch auf dich“, lautete der letzte Satz.
Und unter einem alten Teppich auf dem Boden fanden sie eine Holzkiste. Darin – Dutzende Briefe, in derselben Handschrift geschrieben, aber… unterzeichnet mit dem Namen dieses Sohnes.
Später stellten Experten fest: Die Briefe waren tatsächlich zu verschiedenen Zeiten geschrieben worden. Aber niemand konnte erklären, wer sie verfasst hatte – denn der Sohn war tatsächlich tot.
James konnte das Gefühl nicht loswerden, Zeuge eines Geheimnisses geworden zu sein, das niemand hätte enthüllen dürfen.
Seitdem sagt er: Jeder Brief ist nicht nur Papier. Es ist eine Hoffnung – zwischen den Zeilen versteckt.

