Die Autobahn erstreckte sich bis zum Horizont. Ein heißer Tag, vereinzelte Autos und das endlose Geräusch von Reifen.
Anna war auf dem Heimweg von einer Geschäftsreise. Sie hatte es nicht eilig – sie schaltete Musik ein, öffnete das Fenster, und der Wind wehte ihr angenehm ins Gesicht.
Am Straßenrand bemerkte sie ein Auto mit eingeschalteter Warnblinkanlage. Ein Mann stand daneben und betrachtete den platten Reifen.
Viele fuhren ahnungslos vorbei. Doch Anna bremste.
Sie wusste nicht, warum – sie kam einfach nicht durch.
Der Mann war älter, etwa siebzig. Seine Hände zitterten, als er versuchte, den Reifen zu wechseln.
„Alles in Ordnung?“, fragte Anna und stieg aus.
„Ach ja … Es funktioniert einfach nicht. Das Werkzeug steckt fest, und ich bin nicht mehr derselbe“, lächelte er entschuldigend.
Anna seufzte und holte den Wagenheber aus dem Kofferraum. Zwanzig Minuten später war die Arbeit erledigt.
Der alte Mann bedankte sich mehrmals, aber ein Satz blieb ihm besonders im Gedächtnis:
„Danke, dass Sie vorbeigekommen sind. Heute ist ein besonderer Tag.“
Sie lächelte und tat es ab.
Er bot ihr Geld an, doch sie lehnte ab.
Sie schüttelten sich die Hände und wünschten sich eine gute Reise.
Eine Woche später kehrte Anna in ihr normales Leben zurück. Arbeitstage, Kaffee, der Trubel.
Doch eines Tages fand sie einen Umschlag in ihrem Briefkasten – ohne Absender. Die Handschrift war ordentlich, altmodisch.
Der Brief begann:
„Hallo, Sie wissen vielleicht nicht, wer wir sind. Aber Sie haben unserem Vater vor einer Woche auf der Autobahn geholfen.“
Anna erstarrte.
Er starb noch am selben Abend. Sein Herz. Doch bevor er starb, gelang es ihm, uns von der Frau zu erzählen, die nicht vorbeigekommen war.
Er sagte, er habe zum ersten Mal seit langer Zeit geglaubt, dass es noch Güte auf dieser Welt gibt.
Danke, dass du da warst.“
Der Umschlag enthielt ein Foto – derselbe Mann stand neben seinem Auto, und die Inschrift:
„Richard, 1948–2023.“
Anna saß lange mit dem Brief in den Händen da.
Sie weinte nicht – sie schaute einfach aus dem Fenster, wo der Sonnenuntergang hinter der Straße schimmerte, und dachte darüber nach, wie eine einfache Entscheidung der letzte schöne Moment im Leben eines Menschen sein konnte.

