Seit Andreis Tod sind drei Jahre vergangen. Für Maria hat sich diese Zeit wie eine Ewigkeit angefühlt. Sie sprach immer noch in Gedanken mit ihm, wenn sie Kaffee kochte, zur Arbeit ging oder einschlief.
Jeden Sonntag ging sie zum Friedhof, pflegte das Grab, stellte neue Blumen auf und erzählte, wie die Woche verlaufen war. Das war ihr einziges Ritual, das ihr Leben im Gleichgewicht hielt.
An diesem Morgen war es ruhig, fast windstill. Maria ging den bekannten Weg entlang und hielt einen Strauß weißer Lilien in der Hand. Aber als sie näher kam, blieb sie stehen. Auf dem Grab lagen bereits Blumen – frisch, noch feucht vom Tau.
Sie erstarrte. Niemand außer ihr kam hierher. Weder Freunde noch Verwandte. Andrej war ein zurückgezogener Mensch, er hatte fast keine Angehörigen mehr. Maria stellte ihren Strauß daneben und bemerkte plötzlich etwas zwischen den Stielen. Ein kleines, zusammengerolltes Blatt Papier.
Mit zitternden Fingern entfaltete sie das Papier.
Darauf stand in ordentlicher Handschrift geschrieben:
„Wir sehen uns bald.“
Maria wurde schwindelig. Sie sank auf die Knie. Um sie herum war es still, nur das Rascheln der Blätter war zu hören. Sie las die Worte immer wieder und versuchte, eine Erklärung zu finden.
Am Abend zu Hause fand sie keine Ruhe. Sie sah sich alte Fotos, Briefe und sogar Nachrichten auf ihrem Handy an. „Vielleicht ist das ein Scherz?“, dachte sie. Aber in ihrem Inneren wuchs ein anderes Gefühl – Angst und eine seltsame Vorahnung.
Am nächsten Tag beschloss sie, zurückzukommen. Die Blumen waren noch da, aber die Nachricht war verschwunden. An ihrer Stelle lag ein neuer Strauß derselben Art. Und wieder waren sie frisch.
Maria rief den Friedhofswächter, aber der zuckte nur mit den Schultern:
„Jeden Tag legt jemand Blumen nieder. Eine Frau mit Kopftuch. Sie kommt morgens, wenn wir noch nicht da sind.“
Maria kam nun früher. Mehrere Tage lang passierte nichts. Aber am vierten Morgen bemerkte sie eine Gestalt am Tor. Die Frau stand tatsächlich am Grab von Andrej und beugte sich vor, um einen Blumenstrauß niederzulegen. Maria eilte hin, aber als sie näher kam, war niemand mehr da. Nur Spuren auf dem feuchten Boden.
Seitdem hat sie noch mehrmals Blumen gesehen. Manchmal mit einem Band, manchmal ohne. Aber es gab keine Zettel mehr. Nur einmal, am Todestag, fand sie wieder ein Stück Papier. Darauf stand nur ein einziges Wort:
„Warte.“
Jetzt kommt Maria nicht mehr zum Friedhof. Sie sagt, sie möchte ihn lieber lebendig in Erinnerung behalten. Aber die Nachbarn erzählen manchmal, dass sie sonntags eine Frau am Tor sehen – in einem dunklen Mantel und mit weißen Lilien.

