Emily hatte immer davon geträumt, fernab vom Trubel der Stadt in der Natur zu leben. Nach ihrer Hochzeit mit Jack zogen sie in ein gemütliches altes Haus am Rande eines kleinen Dorfes, umgeben von Hügeln, Feldern und Wäldern. Sie legten sich einen kleinen Bauernhof zu – ein paar Hühner, ein paar Ziegen und, was für Emily am wichtigsten war, ein Pferd namens Luna.
Luna war nicht nur ein Tier. Sie war eine echte Freundin. Sie war intelligent, einfühlsam und unglaublich an ihre Besitzerin gebunden, sie spürte buchstäblich ihre Stimmung. Als Emily schwanger wurde, wurde Luna wie ihr Schatten – sie wich keinen Schritt von ihrer Seite, schmiegte sich ständig an ihren Bauch, als könne sie das kleine Herz darin schlagen hören.
Doch wenige Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin änderte sich alles.
Es geschah an einem lauen Herbstabend. Emily ging aufs Feld, um Luna zu besuchen und ein wenig an der frischen Luft spazieren zu gehen. Die Sonne neigte sich dem Horizont zu, die Luft war ruhig und klar.
Und plötzlich – ein stechender Schmerz. Sie krümmte sich und stützte sich am Zaun ab. Es war kein gewöhnliches Unwohlsein – es waren Wehen. Zu früh. Und zu heftig.
Das Telefon war zu Hause geblieben. Jack war für ein paar Tage beruflich unterwegs. Die nächsten Nachbarn wohnten fast einen Kilometer entfernt. Und Emily konnte nicht mehr laufen.
Sie sank direkt ins Gras, um zu Atem zu kommen. Panik schnürte ihr die Brust zusammen. Luna kam fast sofort zu ihr. Sie war sichtlich beunruhigt. Sie blieb ein paar Sekunden lang neben ihr stehen, dann drehte sie sich abrupt um und rannte davon.
Etwa zehn Minuten vergingen. Emily verlor schon fast das Bewusstsein, als sie plötzlich ein vertrautes Schnauben hörte. Luna war zurückgekommen. In ihrem Maul hielt sie … das Telefon.
Wie hatte sie es gefunden? Wie hatte sie es gepackt? Das war unmöglich zu sagen. Aber das Telefon funktionierte. Es war ein wenig zerkratzt, aber unversehrt.
Mit zitternden Händen rief Emily den Notdienst an. Sie erklärte, wo sie war und was passiert war. Der Dispatcher sagte ihr, sie solle ruhig bleiben – Hilfe sei bereits unterwegs.
Während sie auf dem Boden lag, wich Luna keinen Schritt von ihrer Seite. Sie legte sich neben sie und bedeckte sie mit ihrem Körper, als würde sie verstehen, dass sie ihre Herrin nicht allein lassen durfte. Die Zeit verging langsam. Die Schmerzen wurden stärker.
Als der Krankenwagen eintraf, waren die Rettungssanitäter schockiert: Ein großes Pferd lag neben der schwangeren Frau und ließ niemanden näherkommen, bis Emily selbst flüsterte: „Alles ist gut, Mädchen … Das sind meine Leute.“
Im Krankenhaus brachte Emily ein gesundes, wenn auch etwas frühgeborenes Mädchen zur Welt. Sie nannten sie Hope – Hoffnung.
Als Jack zurückkam, ging er als erstes zu Luna. Er umarmte sie und weinte. Seitdem ist Luna eine lokale Legende – das Pferd, das zwei Leben gerettet hat.
Emily erzählt ihrer Tochter jedes Jahr diese Geschichte: „Du bist auf die Welt gekommen, weil ein Pferd das Unmögliche geschafft hat – es hat uns gerettet.“

