Als Emily in ein neues Haus am Stadtrand zog, schien es, als hätte sich endlich alles zum Guten gewendet. Nach ihrer Scheidung träumte sie von Ruhe – einem kleinen Haus, einem Garten mit Apfelbäumen und ihrem sechsjährigen Sohn Noah, der endlich einen Platz zum Spielen haben würde.
Die ersten Wochen waren perfekt. Morgens strahlte die Sonne in die Küche, aus dem Garten duftete es nach frischem Gras, und Noah malte und lachte die ganze Zeit. Er erzählte Geschichten über seine „imaginären Freunde”, und Emily lächelte nur. Kinder fantasieren oft.
Aber eines Morgens, während sie Pfannkuchen briet, sagte ihr Sohn:
„Mama, der Mann aus dem Keller hat gesagt, dass er dich vermisst.”
Emily drehte sich überrascht um:
„Welcher Keller, Noah? Wir haben keinen Keller.“
„Doch“, antwortete der Junge überzeugt. „Es ist nur eine Tür unter dem Teppich. Er wohnt dort.“
Sie lachte, aber aus irgendeinem Grund klang ihr Lachen unnatürlich. Das Haus war zwar alt, aber laut den Unterlagen gab es keinen Keller.
Ein paar Tage später begann Noah nachts aufzuwachen und im Dunkeln etwas zu flüstern. Als Emily ihn fragte, mit wem er spreche, antwortete der Junge leise:
„Mit ihm. Mit dem Onkel. Er schläft nicht, bevor ich mit ihm gesprochen habe.“
Emily schrieb das alles der kindlichen Fantasie zu. Aber bald begannen seltsame Dinge im Haus vor sich zu gehen. Nachts hörte sie leise Klopfgeräusche unter dem Boden. Gegenstände verschoben sich um einige Zentimeter, als hätte jemand sie angefasst. Aus dem Wohnzimmer zog manchmal eine Kälte, obwohl die Fenster geschlossen waren.
Als Emily einmal beim Aufräumen den alten Teppich an der Wand anhob, entdeckte sie darunter einen dünnen Metallring, der in den Boden eingelassen war. Sie zog daran … und die Dielen hoben sich leicht. Darunter war es dunkel.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Noah stand neben ihr.
„Mama“, sagte er leise, „mach es nicht auf. Er mag es nicht, wenn man ihn stört.“
Emily versuchte zu lächeln, aber ihre Hände zitterten.
„Wer ist er, Noah?“
„Derjenige, der früher hier gewohnt hat. Er sagt, du hättest ihm sein Zuhause weggenommen.“
In diesem Moment ertönte ein Geräusch unter dem Boden … als hätte jemand geatmet. Kalte Luft strömte heraus, die Lampe flackerte und irgendwo in der Tiefe waren Schritte zu hören.
Emily schnappte sich ihren Sohn und rannte auf die Straße. Das Haus stand still und ruhig da, als wäre nichts geschehen. Nur unter der Türschwelle wehte ein feuchter Luftzug, und irgendwo in der Ferne, in der Stille, schien es zu flüstern:
„Du hättest es nicht öffnen sollen.“
Später, als die Polizei das Haus untersuchte, fanden sie tatsächlich einen alten Keller, der mit Brettern und Erde zugeschüttet war. Den Archiven zufolge lebte hier früher ein Mann namens Harold Gray, der vor vielen Jahren verschwunden war.
Und seitdem hört Emily manchmal, wenn sie nachts einschläft, wie Noah im Schlaf flüstert:
„Gute Nacht, Onkel Harold.“

